Datenbank zur Schulblatt-Kolumne

Fälschen von Zeugnisnoten ist keine Bagatelle

Kantons- und Gemeinde-Mitarbeitende sind zur Anzeige von Vergehen, von denen sie bei der Arbeit erfahren, verpflichtet – es sei denn, sie stehen in einem besonderen Vertrauensverhältnis zur daran beteiligten Person

Eine Schülerin leidet unter den hohen elterlichen Leistungserwartungen, denen sie nicht gerecht werden kann. Den Übertritt von der Sekundarschule in ein Gymnasium schafft sie wegen zu schlechten Zeugnisnoten nicht. Mit Kopierer, Kleber und dem Zeugnis einer Kollegin werden aus ihren Noten solche, die zum Übertritt in ein Gymnasium berechtigen. Und aus dem Zeugnis wird ein solches, das die Eltern zufriedenstellt. Der Schwindel fliegt auf, als die Eltern beim Lernberichtsgespräch von völlig anderen Noten als den von der Schule verzeichneten berichten und die Schulleitung die Eltern davon überzeugen kann, dass das von der Tochter vorgelegte Zeugnis gefälscht ist.

Muss eine Schulleitung in einem solchen Fall zwingend eine Strafanzeige erstatten? Nach Artikel 252 des Strafgesetzbuches macht sich strafbar, wer in der Absicht, sich oder einem andern das Fortkommen zu erleichtern, Ausweisschriften, Zeugnisse oder Bescheinigungen fälscht oder verfälscht. Bei Erwachsenen droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Das Fälschen von Ausweisen ist somit als sogenanntes Vergehen einzuordnen. Für Jugendliche ab zehn Jahren sind die Bestimmungen des Jugendstrafgesetzes massgebend. Sie werden bei einem Vergehen wie dem Fälschen eines Zeugnisses zu einem persönlichen, altersgerechten Sozialeinsatz von höchstens zehn Tagen verpflichtet. Bei Jugendlichen ab dem 15. Altersjahr kann ein Einsatz mit einer Dauer von bis zu drei Monaten oder eine Busse angeordnet werden.

Mitarbeitende des Kantons oder der Gemeinden sind zur Anzeige von Vergehen, von denen sie während ihrer Arbeit erfahren, verpflichtet – es sei denn, sie stehen in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu der am Vergehen beteiligten Person. Im Schulbereich besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis regelmässig zwischen unterrichtenden Lehrpersonen und ihren Schülern. Bei Schulleitungsmitgliedern besteht ein solches Vertrauensverhältnis zu Schülern in der Regel nicht, weshalb sie anzeigepflichtig sind. Im vorliegenden Fall gilt dies umso mehr, als die Schülerin die Schule mit dem Abschliessen des dritten Sekundarschuljahres verlässt.

Auf den ersten Blick mag eine Anzeige im Falle der Schülerin als hart erscheinen. Es gilt aber zu vergegenwärtigen, dass bereits Schüler, die auf ihrem Schülerausweis das Geburtsdatum abändern, um sich Zutritt zu Diskotheken und Bars zu verschaffen, den Tatbestand des Fälschens von Ausweisen erfüllen und daher immer wieder angezeigt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint das Anfertigen des gefälschten Zeugnisses ungleich aufwendiger und ist eine Anzeige auch unter erzieherischen Gesichtspunkten richtig. Ob die Schülerin aus der erforderlichen Absicht heraus, ihre persönliche Situation zu verbessern, gehandelt hat oder aus blosser Not in Anbetracht des zu hohen Erwartungsdrucks der Eltern, muss die Jugendanwaltschaft prüfen und entscheiden.

Eine Bestrafung nach dem Jugendstrafgesetz führt nicht wie im Erwachsenenstrafrecht zu einem Strafeintrag. Sie kann sich aber nachteilig auf ein Einbürgerungsverfahren oder eine militärische Laufbahn auswirken. Die Jugendanwaltschaft ist bei der erleichterten Einbürgerung von jungen Ausländerinnen und Ausländern und bei militärischen Personensicherheitsüberprüfungen zur Auskunft über strafrechtsrelevante Vorfälle verpflichtet. Zweckdienlich ist es im Übrigen, wenn bei einer Anzeigeerstattung auf allfällige familiäre Probleme hingewiesen wird. Die Jugendanwaltschaft kann in solchen Fällen familienbegleitende Anordnungen treffen.

Von Philipp Schenker, Juristischer Mitarbeiter Abteilung Recht im ED Basel-Stadt

Klasse/Stufe: PrimarstufeSekundarstufe ISekundarstufe II
Themen: Absenzen und SanktionenAufsicht und HaftungMelde- und AnzeigepflichtPrüfungen und Abschlüsse
Erscheinungsjahr: 2019

Weitere Informationen: www.edubs.ch

Basler Schulblatt

Leimenstrasse 1
4001 Basel
Tel.: +41 61 267 84 03
Mail: E-Mail
Website