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Kritik an Lehrtätigkeit rechtfertigt keine Versetzung eines Kindes

Bei Streitigkeiten zwischen einer Kindergärtnerin und Eltern ist auch das Kindswohl zu beachten

Ein Kind mit logopädischem Förderbedarf und Problemen, soziale Kontakte zu knüpfen, wurde von der Schulleitung im zweiten Kindergartenjahr in einen anderen Kindergarten versetzt mit der Begründung, dass keine einheitliche Haltung von Eltern und Schule über die Lehrtätigkeit der Kindergärtnerin habe gefunden werden können und die Eltern wesentliche Kompetenzen der Kindergärtnerin in Frage gestellt hätten. Eine weitere Beschulung im bisherigen Kindergarten sei für die Kindergärtnerin unzumutbar. Dagegen wehrten sich die Eltern erfolgreich auf dem Rechtsweg.

Eine Versetzung ist im kantonalen Recht nur im Falle der Überschreitung der gesetzlichen Klassengrössen oder als Disziplinarmassnahme vorgesehen. Über diese geregelten Gründe hinaus können nach der Rechtsprechung weitere sachliche und gewichtige Gründe eine Versetzung gegen den Willen des betroffenen Kindes bzw. dessen Eltern rechtfertigen. Stets sind nämlich auch die Interessen aller Kinder in einer Klasse und jene der Lehrpersonen zu berücksichtigen. (Sachliche) Kritik an der Lehrtätigkeit der Kindergärtnerin stellt keinen gewichtigen Grund dar. Dass es zwischen Eltern und Lehrpersonen zu divergierenden Auffassungen und Reibungspunkten kommen kann, versteht sich von selbst, wenn Bildung und Erziehung als gemeinsame Aufgabe zwischen Schule und Eltern verstanden wird und auch gelebt werden soll.

Würde bei jeder Kritik an der Lehrtätigkeit gleich eine Versetzung des betroffenen Kindes angeordnet, liesse sich der öffentlich Bildungsauftrag offensichtlich nicht erfüllen. Schliesslich kann aus einer (angeblichen) Unzumutbarkeit der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrperson auch nicht ohne weiteres auf eine Unzumutbarkeit der weiteren Beschulung des betroffenen Kindes in der bisher besuchten Klasse geschlossen werden. Das Kindeswohl gilt es in jedem Fall besonders zu beachten – insbesondere wenn das betroffene Kind die erwähnten Probleme im sozialen Bereich hat.

Die Schule kann sich übrigens einer rechtlichen Überprüfung der Versetzung nicht mit dem Argument entziehen, es handle sich um eine nicht anfechtbare schulorganisatorische Massnahme. Zwar ist die Rechtsnatur von Schul- und Klassenzuteilungen in der Rechtslehre und -praxis seit jeher umstritten. Jedoch bedeutet eine gegen den Willen des Kindes und dessen Eltern angeordnete Versetzung in eine andere Klasse, als diejenige die das Kind bereits eine längere Zeit – im vorliegenden Fall bereits im zweiten Kindergartenjahr – besucht hat, einen erheblichen Einschnitt für das betroffene Kind. Ihr kommt bis zu einem gewissen Grad Sanktionscharakter zu. Die Eltern haben in diesem Fall ein schutzwürdiges Interesse an einer möglichst beständigen Schulsituation für ihr Kind und damit an der Überprüfung von dessen Versetzung auf dem Rechtsmittelweg.

Stephan Hördegen, Leiter Abteilung Recht im ED Basel-Stadt

Dieser Beitrag ist angelehnt an das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 18. März 2021 (VB.2021.00109).

Klasse/Stufe: PrimarstufeSekundarstufe I
Themen: ElternKindesschutzAbsenzen und Sanktionen
Erscheinungsjahr: 2021

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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