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Nackt-Selfies sind auch in der Schule ein Problem

Verhaltensregeln für Schulen, wenn Nacktbilder herumgeschickt werden

Nicht nur bei Politikern und Angestellten der Bundesverwaltung ist das Herstellen und Versenden von Nackt­Selfies via Handy in Mode gekommen: Unter Jugendlichen ist Sexting (zusammengesetzt aus den Wörtern «sex» und «texting»), womit der Austausch von selbst produzierten erotischen Aufnahmen von sich oder anderen via Handy bezeichnet wird, heute ein verbreitetes Phänomen, das auch vor den Toren der Schule nicht haltmacht. Zum Problem wird Sexting dann, wenn es nicht beim gegenseitigen Austausch von Aufnahmen bleibt, sondern diese, aus welchen Gründen auch immer, via Handy Drittpersonen, namentlich Schulkolleginnen und ­kollegen, zugänglich gemacht werden. Erotische Nacktfotos von Minderjährigen können aus rechtlicher Sicht schnell einmal unter den Tatbestand der Kinderpornografie fallen. Dabei handelt es sich um eine von Amtes wegen zu verfolgende Straftat (Offizialdelikt). Verboten sind nach dem erst kürzlich in diesem Punkt revidierten Strafgesetzbuch unter anderem die Herstellung, der Besitz, die Verbreitung und der blosse Konsum von Kinderpornografie. Verschickt beispielsweise eine 15­jährige Schülerin ein Nackt­Selfie, auf welchem sie in sexualisierter Pose abgebildet ist, ihrem gleichaltrigen Freund und zeigt dieser das Foto seinen Schulkollegen oder leitet es diesen via Handy weiter, machen sich möglicherweise beide oder gar alle Beteiligten wegen Kinderpornografie strafbar.

Wie sollen sich Lehr­ oder Schulleitungspersonen verhalten, wenn Sie von einem solchen Fall Kenntnis erhalten? Auch wenn es sich bei Kinderpornografie um ein Offizialdelikt handelt, trifft diese nicht automatisch eine (strafrechtliche) Anzeigepflicht. Davon befreit sind Personen, deren behördliche oder dienstliche Tätigkeit ein besonderes Vertrauensverhältnis zu einer an der Straftat beteiligten oder von ihr betroffenen Person voraussetzt. Der Befreiungsgrund gilt etwa auch für Mitarbeitende der Schulsozialarbeit.

Bevor eine Anzeige erstattet wird, scheint die Schulsozialarbeit als erste Anlaufstelle für eskalierende Sexting­Fälle geeignet zu sein. Zum einen ist sie fachlich – allenfalls in Rücksprache mit dem Rechtsdienst – in der Lage, eine erste Einschätzung über einen allfälligen kinderpornografischen Gehalt von Nackt­Selfies zu machen. Zum anderen wird die betroffene Schülerin oder der betroffenen Schüler einer Klassenlehrperson oder der Schulleitung die für sie peinlichen und allenfalls ihr schulisches Fortkommen erschwerenden Geschehnisse nur im Falle höchster Verzweiflung, wenn es unter Umständen schon zu spät ist, offenbaren wollen. Besteht ein dringender Verdacht, dass Sexting mit Drohung oder Nötigung (Mobbing, gezielte Rufschädigung oder gar sexuelle Nötigung) einhergeht, ist keine Zurückhaltung geboten. In solchen Fällen sollten sofort die Polizei oder die Jugendanwaltschaft eingeschaltet werden. Dass das «Opfer» oder weitere Beteiligte dann unter Umständen ebenfalls in ein Strafverfahren verwickelt werden, ist in Kauf zu nehmen. Es ist davon auszugehen, dass die Strafverfolgungsbehörden hier das nötige Augenmass anwenden.

Stephan Hördegen, Leiter Abteilung Recht

Klasse/Stufe: Sekundarstufe ISekundarstufe II
Themen: Medien und UrheberrechtKindesschutzMelde- und AnzeigepflichtSchulpersonalrecht
Erscheinungsjahr: 2014

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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