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Der Einsatz von KI-Tools an Prüfungen verlangt klare Vorgaben

Lässt sich das Nutzen von ChatGTP mit prüfungsrechtlichen Grundsätzen vereinbaren?

Für den Umgang mit KI-basierten Tools wie ChatGPT an Prüfungen gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder werden solche Tools ganz verboten, sodass deren (auch nur schon versuchte) Nutzung per se einen Prüfungsbetrug darstellt; oder KI-Tools werden als Hilfsmittel an Prüfungen grundsätzlich erlaubt, wodurch nicht ausgeschlossen ist, dass bei deren Verwendung trotzdem ein Prüfungsbetrug vorliegen kann. 

Die Grundfrage ist, wie sich die (erlaubte) Verwendung von KI-Tools mit dem prüfungsrechtlichen Grundsatz, dass die Leistung persönlich und selbständig zu erbringen ist, vereinbaren lässt. So gehört z.B. gemäss dem Reglement für die Maturaarbeit an den Gymnasien im Kanton Basel-Stadt die selbständige Bearbeitung (Originalität/Eigenleistung) eines Themas zu den hauptsächlichen Bewertungskriterien für eine Maturaarbeit. Bei der Verwendung von KI-Tools werden die Art und Weise sowie der Umfang der Nutzung entscheidend sein für die Frage, ob noch eine eigenständige Prüfungsleistung vorliegt. Bei prüfungsrelevanten Leistungen dürfen KI-Tools wohl nur unterstützend und «steuernd» eingesetzt werden. Eine eigenständige Prüfungsleistung kann jedenfalls dann nicht mehr angenommen werden, wenn ohne signifikante geistige Eigenleistung durch KI generierte Erzeugnisse verwendet werden, die für die Prüfungsleistung relevante Inhalte einschliessen. Im Übrigen stellen sich schwierige Abgrenzungsfragen, die je nach Fach bzw. Fachbereich der zu prüfenden Kompetenzen und damit zusammenhängend der konkreten Aufgabenstellung im Einzelfall zu beantworten sind. Für die Beurteilung des Masses an geistiger Eigenleistung wird es auch stark auf die Bewertung durch die Prüfenden ankommen, denen ein grosser Bewertungsspielraum zukommt. Hier wird unter dem Aspekt der Prüfungsgerechtigkeit entscheidend sein, dass bei allen Schülerinnen und Schülern mit gleichen Ellen gemessen wird.

Für die Frage des Vorliegens eines Prüfungsbetrugs relevant ist auch, dass die Verwendung von KI-Tools durch die Schülerinnen und Schüler klar zu kennzeichnen ist (Kennzeichnungspflicht). Die Annahme eines Prüfungsbetrugs hängt nicht zuletzt davon ab, ob ein unzulässiger Einsatz überhaupt zuverlässig nachgewiesen werden kann. Die Schülerinnen und Schüler sind auf den Einsatz von KI-Erkennungs-Tools hinzuweisen.

Weitere prüfungsrechtliche Fragen stellen sich bei der möglichen Verwendung von KI-Tools als Nachteilsausgleichsmassnahmen. Bei Schülerinnen und Schülern mit einer Legasthenie wäre z.B. der Einsatz von KI-Tools denkbar, die in Textverarbeitungsprogrammen integriert sind und dazu verwendet werden können, ergänzende Formulierungsvorschläge zu machen. Solche «KI-Sprachassistenzen» dürfen freilich nicht zu einer Befreiung von allgemeinen Leistungsanforderungen führen. Schliesslich ist auf die mögliche Bewertung von Prüfungsleistungen mithilfe von KI-Tools durch die Prüfenden hinzuweisen. Angesichts des grossen Bewertungsspielraums der Prüfenden darf hier ein Einsatz von KI-Tools höchstens unterstützend zulässig sein. Zudem stellen sich hier auch datenschutz- und urheberrechtliche Fragen.

Es zeigt sich, dass klare Vorgaben für den Einsatz von KI-Tools an Prüfungen notwendig sind. Diese können auf der Ebene von Prüfungsreglementen und -wegleitungen sowie in Eigenständigkeitserklärungen für Abschlussarbeiten erfolgen. 

 

Von Stephan Hördegen, Leiter Abteilung Recht

Klasse/Stufe: PrimarstufeSekundarstufe ISekundarstufe II
Themen: Medien und UrheberrechtPrüfungen und Abschlüsse
Erscheinungsjahr: 2023

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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