Datenbank zur Schulblatt-Kolumne

Die Treuepflicht der Lehrpersonen endet nicht nach Unterrichtsschluss

Die politische Betätigung einer Lehrperson kann ein Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sein

Ein an einer staatlichen deutschen Grundschule angestellter Lehrer unterhielt auf dem Videoportal «YouTube» einen Kanal mit dem Namen «Der Volkslehrer», in dem er im Internet der Öffentlichkeit selbstgefertigte Filme zur Verfügung stellte. Er sprach zu seinem imaginären Publikum und führte Interviews mit ausgesuchten Personen. In seinen Videos kritisierte der Lehrer eine «Überfremdung» der «weissen Nationalstaaten» in Europa und liess unter anderem auch wegen Volksverhetzung verurteilte Straftäter zu Wort kommen. Wegen der Polarisierung extremistischer Äusserungen im Rahmen dieser Videos wurde dem Lehrer fristlos gekündigt. Dagegen setzte sich der Lehrer juristisch zur Wehr und verlangte seine Weiterbeschäftigung. Er berief sich bei seinen Aktivitäten auf dem Videoportal auf die Meinungsäusserungs- und Kunstfreiheit.

Das Arbeitsgericht Berlin, das die Klage des Lehrers auf Weiterbeschäftigung zu beurteilen hatte, erwog, dass Lehrpersonen zur Loyalität gegenüber ihrem öffentlichen Arbeitgeber verpflichtet seien. Die politische Betätigung einer Lehrperson könne als Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen, wenn die betroffene Lehrperson aufgrund ihres Verhaltens für die Lehrtätigkeit als nicht geeignet angesehen werden müsse. Einer Lehrperson, die ein Videoportal gezielt als Propagandamittel nutze, um den Rechtsstaat anzugreifen und zu verunglimpfen, fehle auf nicht absehbare Zeit die persönliche Eignung zur Unterrichtstätigkeit an einer staatlichen Schule. Es gehöre gerade zum Auftrag einer Lehrperson, in Schülerinnen und Schülern Persönlichkeiten heranzubilden, die fähig seien, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit und der Menschenwürde zu gestalten. Das Gericht stützte die Argumentation der Anstellungsbehörde, wonach eine Unterscheidung zwischen der Person des Lehrers und der Figur des «Volkslehrers» insbesondere für seine Schülerinnen und Schüler nicht möglich gewesen sei, da der Lehrer in seinen Videos mehrfach auf seine Tätigkeit als Lehrperson Bezug genommen habe. Somit habe das Verhalten des Lehrers auf seinem Videoportal zwar ausserhalb der Schule stattgefunden, jedoch in das Arbeitsverhältnis hineingewirkt. Das Gericht stellte fest, dass der Lehrer gegen seine Treuepflicht verstossen habe. Seine Aktivitäten auf dem Videoportal seien durch die Meinungsäusserungs- und Kunstfreiheit nicht mehr gedeckt. Sein Verhalten sei für einen beim öffentlichen Dienst beschäftigten Mitarbeiter nicht tolerierbar, auch wenn es im Unterricht kein Fehlverhalten gegeben habe. Dem Lehrer müsse eine Negativprognose gestellt werden, weil von weiteren Veröffentlichungen auf seinem Videoportal auszugehen sei. Das Arbeitsgericht Berlin bestätigte die fristlose Kündigung und wies die Klage des Lehrers auf Weiterbeschäftigung ab. Ob der Lehrer das Urteil an die nächste Instanz weitergezogen hat, ist nicht bekannt.

Über soziale Medien verbreitete antidemokratische Verschwörungstheorien haben über Smartphones schon längst den Weg ins Klassenzimmer gefunden. Lehrpersonen sollten Schülerinnen und Schüler befähigen, solchen Theorien kompetent zu begegnen, und nicht selber solche befeuern, auch wenn das «nur» in ihrer Freizeit erfolgt. Bei einem entsprechenden Verhalten wäre wohl auch nach dem baselstädtischen Personalrecht von einer (schweren) Verletzung der Loyalitätspflicht auszugehen, die ein Kündigungsgrund ist.

Von Nathalie Stadelmann, Juristische Mitarbeiterin Abteilung Recht

Quelle: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 16. Januar 2019 – Az 60 Ca 7170/18  

Klasse/Stufe: Primarstufe
Themen: Schulpersonalrecht
Erscheinungsjahr: 2024

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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