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Eine Gruppenarbeit entpuppt sich als Plagiat: Wer hat das Nachsehen?
Eine softwaregestützte Überprüfung ergab eine textliche Übereinstimmung mit anderen Dokumenten im Umfang von rund 30 Prozent. Die Prüfungskommission stufte die eingereichte IDPA als Vollplagiat ein, erklärte diese für nicht bewertbar und ordnete die Erstellung einer neuen Arbeit im Folgejahr an. Gegen diesen Entscheid rekurrierte eine der beiden Berufsmaturandinnen und beantragte bei der Beschwerdeinstanz, es sei ihr die Möglichkeit zur Einreichung einer neuen IDPA innert einer Frist von drei Monaten zu gewähren, ansonsten sie die Ausbildung erst ein halbes Jahr später abschliessen könne.
Zusammen mit ihrer IDPA hatten die beiden Berufsmaturandinnen eine unterzeichnete Redlichkeitserklärung eingereicht, mit der sie bestätigt hatten, die IDPA selbstständig und ohne Benützung anderer als der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt, die benutzten Quellen wörtlich und inhaltlich als solche kenntlich gemacht und die betreffende Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungskommission vorgelegt zu haben. Als die Berufsmaturandinnen mit dem Plagiatsvorwurf konfrontiert wurden, gaben beide gegenüber der Schulleitung zu, längere Textpassagen aus anderen Quellen ohne Quellenangabe übernommen zu haben. Sie beteuerten, ohne betrügerische Absicht gehandelt und aufgrund eines für die Arbeit nicht verwertbaren Interviews unter Zeitdruck gestanden zu haben.
Die Beschwerdeführerin reichte eine schriftliche Stellungnahme nach, mit der sie erklärte, eine selbst vorgenommene Plagiatsüberprüfung habe ergeben, dass sie nur einen kleinen Teil der Plagiate zu verantworten habe. Das Meiste sei von ihrer Kollegin aus dem Internet kopiert worden. Da sie ihrer Kollegin vertraut habe, habe sie die Quellen nicht mehr geprüft. Die Kollegin der Beschwerdeführerin bestätigte denn auch gegenüber der Schulleitung, dass die meisten Plagiate von ihr zu verantworten seien. Sie räumte ein, der Beschwerdeführerin möglicherweise die falsche Fassung geschickt zu haben, ohne die Arbeit vorher nochmals durchgesehen zu haben.
Die Beschwerdeinstanz ging aufgrund der Anzahl plagiierter Textpassagen im Verhältnis zum relativ geringen Textumfang und des Umstands, dass die IDPA Teil der Berufsmaturitätsprüfung und damit für das Bestehen der Berufsmaturität mitentscheidend ist, von einem schweren Verstoss gegen die Prüfungsordnung aus. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin unterzeichneten Redlichkeitserklärung, die sich auf die gesamte Arbeit bezogen habe, sei von keiner klaren Arbeitsaufteilung auszugehen. Die festgestellten Unredlichkeiten seien deshalb auch der Beschwerdeführerin zuzurechnen. Eine mildere Massnahme wie die Überarbeitung der Arbeit oder einen Notenabzug beurteilte die Beschwerdeinstanz als nicht sinnvoll, da die plagiierten Textpassagen über die gesamte IDPA verteilt seien. Damit lasse sich nicht ohne Weiteres ein Teil der Arbeit abgrenzen, der eine klar bewertbare Leistung der Beschwerdeführerin umfasse. Den Antrag der Beschwerdeführerin, eine neue IDPA innert drei Monaten einreichen zu können, lehnte die Beschwerdeinstanz ab. Dass sich der Ausbildungsabschluss um ein halbes Jahr verzögere, sei der Beschwerdeführerin zumutbar. Dies wäre auch dann der Fall, wenn sie einen anderen Prüfungsteil der Berufsmaturität nicht bestanden hätte und wiederholen müsste. Auch in dieser Hinsicht ist die Ungültigerklärung bzw. Nichtbewertung der IDPA von der Beschwerdeinstanz als verhältnismässig beurteilt worden.
Dieser Fall zeigt die Problematik der Leistungsbewertung bei Gruppenarbeiten unter dem Aspekt der Prüfungschancengleichheit. Können Leistungen nicht klar einzelnen Kandidatinnen oder Kandidaten zugewiesen werden und erfolgt eine einheitliche Benotung, kann dies insbesondere im Falle eines Prüfungsbetrugs zu unfairen Konsequenzen für die Betroffenen führen.
Von Nathalie Stadelmann, Juristische Mitarbeiterin Abteilung Recht
Dieser Beitrag beruht auf dem Entscheid der Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern 2021 (BKD.22326 vom 13. Mai 2022).