Datenbank zur Schulblatt-Kolumne

Informationsbeschaffung schützt vor Tragödien

Vor Schulreisen gezielt nach gesundheitlichen Besonderheiten der Kinder fragen

Anfang Jahr bestätigte der deutsche Bundesgerichtshof die Verurteilung von zwei Lehrpersonen zu Geldstrafen von 180 Tagessätzen durch das Landgericht Mönchengladbach nach dem tragischen Tod einer 13-jährigen, unter Diabetes Typ 1 leidenden Schülerin auf einer Schulreise nach London. Die beiden Lehrpersonen waren gemeinsam für die Organisation und die Durchführung der mehrtägigen klassen- und jahrgangsübergreifenden Schulreise zuständig. Die später verstorbene Schülerin kannten sie nicht persönlich, da sie diese nicht unterrichteten. Von deren Erkrankung hatten sie keine Kenntnis, da sie im Rahmen der Reisevorbereitung Informationen über gesundheitliche Beeinträchtigungen der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler nicht abgefragt hatten. Als sich während der Reise der Gesundheitszustand der Schülerin fortlaufend verschlechterte, sie sich mehrfach erbrach sowie unter Kopfschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit und körperlicher Schwäche litt, trafen die beiden Lehrpersonen trotz Hinweisen zweier Mitschülerinnen vorerst keine besonderen Vorkehrungen. Erst als die Schülerin kaum mehr ansprechbar war, verständigten sie einen Notarzt, was sich letztlich als zu spät erwies. Noch vor Ort verstarb die Schülerin zwei Tage später an einem Herzinfarkt als Folge einer schweren diabetischen Stoffwechselentgleisung.

Das Landgericht schloss vor diesem Hintergrund auf fahrlässige Tötung durch Unterlassen. Es erwog, dass die Sorgfaltspflicht und die mit dieser einhergehende Garantenstellung von Lehrpersonen im Falle von Schulreisen eine Pflicht zur Beschaffung von Informationen über Vorerkrankungen und gesundheitliche Besonderheiten von Schülerinnen und Schülern einschlössen. Die beiden Lehrpersonen hätten bei der Planung der Reise den sichersten Weg beschreiten und unter den gegebenen Umständen die Gesundheitsinformationen bei allen Schülerinnen und Schülern, beziehungsweise deren Erziehungsberechtigten, schriftlich abfragen müssen. Die bloss mündliche Nachfrage nach gesundheitlichen Besonderheiten und Reiseübelkeit anlässlich eines freiwilligen Elterninformationsabends erachtete das Gericht weder als geeignet noch ausreichend, um der Informationsbeschaffungspflicht nachzukommen.

Tragischerweise hätte bereits eine Einsichtnahme in das Schülerdossier, in dem die Diabeteserkrankung vermerkt war, oder das Einholen einer Auskunft bei der Klassenlehrperson im Vorfeld der Reise ausgereicht, um den Tod der Schülerin zu vermeiden. Denn hätten die Lehrpersonen zu dem Zeitpunkt von der Erkrankung der Schülerin gewusst, hätten sie eine medizinische Versorgung rechtzeitig veranlasst und die Mutter der Schülerin sofort informiert, sodass die Stoffwechselentgleisung hätte festgestellt und die Schülerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte gerettet werden können.

Die basel-städtische Verordnung über auswärtige Schulanlässe sieht nebst der schriftlichen Orientierung der Schulleitung und deren Bewilligung eine rechtzeitige Information der Erziehungsberechtigten über das Vorhaben vor. Nach dem geschilderten Urteil kommt zu dieser Informationspflicht eine Informationsbeschaffungspflicht in Bezug auf Vorerkrankungen oder gesundheitliche Besonderheiten hinzu, die es bei der Planung zu beachten gilt. Hinzuweisen ist schliesslich auf den vom Erziehungs- und Gesundheitsdepartement gemeinsam herausgegebenen Handlungsleitfaden «Chronische Krankheiten und Schule» als Orientierungshilfe für Lehrpersonen, unter anderem für die Durchführung von Schulreisen.

Philipp Schenker, Juristischer Mitarbeiter Abteilung Recht

Klasse/Stufe: PrimarstufeSekundarstufe ISekundarstufe II
Themen: Schulausflüge
Erscheinungsjahr: 2025

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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