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Schule haftet wegen mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen

Ein Spalt zwischen Lift und Stockwerk führt beim Aufbau einer Ausstellung von Abschlussarbeiten zu einem Unfall

Am Ende des Schuljahres findet auf dem Schulareal einer Schweizer Gewerbeschule jeweils eine Ausstellung mit den Abschlussarbeiten der Lernenden statt. Für die Ausstellung stehen den Lernenden unter anderem Stellwände von ca. 3 m Höhe, 1 m Breite und mit einem Gewicht von je ca. 43 kg zur Verfügung. Für das Erstellen eines Ausstellungskonzepts sowie den Auf- und Abbau der Ausstellung sind die Lernenden des Abschlussjahrgangs selbst verantwortlich. Die Stellwände müssen auf einem Transportwagen und mit dem Warenlift transportiert werden. Am Ende der Ausstellung im Jahre 2017 kippte beim Abbau der mit den letzten Stellwänden beladene Transportwagen beim Verlassen des Warenlifts wegen eines Spalts zwischen Lift und Stockwerk nach vorne und fiel auf eine Lernende, die den Wagen aus dem Lift ziehen wollte. Sie wurde unter etwa 500 kg Material eingeklemmt und konnte nur mit externer Hilfe befreit werden. Aufgrund des Unfalls leidet die Lernende heute an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen sowie psychischen Faktoren und erhält eine Invalidenrente.

Die Lernende verklagte die Schule auf Schadenersatz und Genugtuung und berief sich auf die Staatshaftung als Haftungsgrundlage. Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, das sich mit dem Fall befasste, hatte unter anderem zu beurteilen, ob die Schule ihre Aufsichts- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Studentin verletzt hat. Die Lernende argumentierte, dass die Schule verpflichtet gewesen wäre, angemessene Sicherheitsvorkehrungen zur Abwendung des Unfalls zu treffen. Das Gericht erwog, die Schule sei gestützt auf den gesetzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag während der Schulzeit für die ihr anvertrauten Lernenden verantwortlich. Sie habe im Rahmen ihrer Obhutspflicht für eine angemessene Umgebung zu sorgen und die Betroffenen vor Gefahren zu bewahren. Das Mass der aufzubringenden Sorgfalt sei vom Einzelfall abhängig und anhand der konkreten Situation zu bestimmen. Dabei seien neben Faktoren wie dem Alter, dem Entwicklungsstand oder dem Charakter der Lernenden auch die gegebene Situation oder Tätigkeit zu berücksichtigen. Die Schule habe die möglichen Gefahren zu erkennen, die daraus hervorgehenden Risiken sorgfältig abzuschätzen und die nötigen sichernden Massnahmen zu ergreifen. Zusammenfassend seien alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die Lernenden vor möglichen Gefährdungen zu schützen. Zwar müssten nicht alle erdenklichen und mit geringster Wahrscheinlichkeit eintretenden Gefahren abgesichert werden, aber jedenfalls solche, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung in einer bestimmten Situation auftreten könnten.

Den Sicherheitsverantwortlichen der Schule war das Gefahrenpotenzial beim Transport der über drei Meter hohen Stellwände bekannt. Insbesondere wussten sie um die erhöhte Gefahr des Umkippens, die bei nur teilweise beladenen Transportwagen und beim Überqueren des Liftspalts besteht. Entsprechend wurden Dokumente mit Sicherheitshinweisen erstellt sowie Instruktionen für Lernende durchgeführt. Allerdings konnte die Schule nicht beweisen, dass die verunfallte Lernende effektiv informiert und instruiert worden ist, wie mit dem Transportwagen sicher umzugehen sei. Ein solcher Beweis hätte z.B. durch die Aufforderung zur Teilnahme an einer Instruktion oder durch eine Empfangsbestätigung der Sicherheitsdokumente erbracht werden können. Das Gericht bejahte letztlich eine Haftung der Schule. Noch nicht entschieden wurde über die Höhe des geforderten Schadenersatzes und der Genugtuung. Eine mangelhafte Sicherheitsorganisation kann also teuer zu stehen kommen.

Von Anja Keller, Juristische Mitarbeiterin Abteilung Recht

Klasse/Stufe: Lehre
Themen: Prüfungen und Abschlüsse
Erscheinungsjahr: 2025

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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