Datenbank zur Schulblatt-Kolumne
Plagiatsnachweis mit Software hat seine Tücken
Beim Einreichen ihrer Maturarbeit zum Einsatz von Robotern in der Chirurgie bestätigt eine Gymnastin, dass sie die Arbeit vorschriftsgemäss ohne fremde Hilfe geschrieben hat. Darauf folgt der Schock: Ihre Betreuungslehrperson wirft ihr vor, die Maturarbeit sei ein Plagiat. Die routinemässige Überprüfung durch das Plagiatstool «Copy-Stop» habe eine Übereinstimmung der eingereichten Arbeit mit Texten von diversen Webseiten im Umfang von neun Prozent ergeben. Aufgrund dieser gravierenden Verfehlung verfügt die Schulkommission darauf den Ausschluss der Gymnasiastin von den Abschlussprüfungen.
Von einem Plagiat spricht man, wenn eine Person ganz oder teilweise fremde Gedanken ohne korrektes Zitieren und ohne Angabe der Quelle übernimmt und dabei absichtlich oder unabsichtlich ihre eigene Urheberschaft vorspiegelt. Plagiieren stellt einen Verstoss gegen die Prüfungsordnung im Sinne eines unredlichen Verhaltens dar. Um Missetäter zu überführen, setzen viele Bildungseinrichtungen inzwischen Software zur Erkennung von Plagiaten ein. Diese Tools gleichen die eingelesenen Arbeiten auf Übereinstimmungen mit Texten im Internet ab. Doch die Aufdeckungsmöglichkeiten dieser Tools sind begrenzt: Durch Ghostwriting entstandene Arbeiten sind in der Regel Unikate und können, wie manche Umformulierungen, unentdeckt bleiben. Die Verwendung von Floskeln oder Fachtermini erscheinet hingegen auf den ersten Blick plagiatsverdächtig – ebenso wie Zitate, selbst wenn sie korrekt mit Anführungszeichen und Quellenangabe verwendet werden.
Die Ergebnisse der softwaregestützten Plagiatsprüfung müssen mit Vorsicht genossen werden. Zwar können sie einen Plagiatsverdacht begründen, für einen hinreichenden Nachweis ist eine eigenhändige Nachprüfung der Arbeiten jedoch unumgänglich. Insbesondere sind die im Prüfbericht des Plagiatstools angezeigten Fundstellen zu konsultieren und mit der überprüften Arbeit sorgfältig zu vergleichen. Die konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Plagiats sind zu dokumentieren und die plagiatsverdächtigen Stellen einzeln auszuweisen. Die Schule muss darlegen, was für konkrete Hinweise für den Einsatz eines Ghostwriters sprechen oder welche konkreten Textpassagen der Arbeit aus welchen Quellen stammen. Für einen hinreichenden Nachweis dürfen am Vorliegen eines Plagiats keine ernsthaften Zweifel bestehen.
Die Auseinandersetzung mit dem Prüfbericht der Plagiatssoftware und eine Nachprüfung der Maturarbeit ergaben im Fall der Gymnasiastin, dass die angezeigten Übereinstimmungen teilweise darauf zurückzuführen sind, dass die Schülerin die Fundstellen jeweils weiter oben im Text ihrer Arbeit angegeben hatte. Ausserdem hat sie einige Fachausdrücke verwendet, die vom Plagiatstool als Übereinstimmungen gewertet wurden. Der definitive Prüfungsausschluss erwies sich deshalb in ihrem Fall weder als gerechtfertigt noch als verhältnismässig.
Eine Sanktion wie der Ausschluss von den Abschlussprüfungen muss in einem angemessenen Verhältnis zum Fehlverhalten der Schülerin oder des Schülers stehen. Neben der Chancengleichheit bei Prüfungen sind auch die Anforderungen an die wissenschaftliche Redlichkeit entsprechend der besuchten Bildungsstufe und Ausbildungsform bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Im geschilderten Fall fehlte es bereits an einem hinreichenden Nachweis des Plagiatsverdachts, sodass sich eine Prüfung der Verhältnismässigkeit des Prüfungsausschlusses erübrigte.
Dieser Beitrag beruht auf dem Urteil des Genfer Verwaltungsgerichts ATA/643/2010 vom 21. September 2010
Nadezhda Nesterenko, juristische Volontärin, Erziehungsdepartement Basel-Stadt