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Prüfungsunfähigkeit wegen Panikattacke

Welche Kriterien müssen erfüllt sein? Einblicke in einen Zürcher Gerichtsfall

Bei Prüfungsrekursen wird oft eine gesundheitlich bedingte, vorübergehende Prüfungsunfähigkeit geltend gemacht. Meist erfolgt dies erst nach Bekanntgabe des Prüfungsresultats. Nach der Rechtsprechung kann ein Grund, der die Prüfungsfähigkeit einer Prüfungskandidatin oder eines Prüfungskandidaten beeinträchtigt, mit Blick auf die Chancengleichheit und den Grundsatz von Treu und Glauben nach Abgabe der Prüfung und erst recht nach Bekanntgabe des Prüfungsresultats grundsätzlich nicht mehr vorgebracht werden. Ein Ausnahmefall wird angenommen, wenn die geprüfte Person den Hinderungsgrund objektiv betrachtet und unverschuldet nicht früher geltend machen konnte.

Eine solche Ausnahme wurde in einem Fall angenommen, in dem eine Studentin während einer – wegen der Corona-Pandemie – zuhause durchgeführten Online-Prüfung eine Panikattacke erlitt. Auslöser war, dass die digital bereitgestellten Unterlagen unvollständig waren beziehungsweise nicht vollständig heruntergeladen werden konnten. Zwar konnte sich die Studentin während der Prüfung an eine «Online Prüfungs-Taskforce» wenden, die ihr die fehlenden beziehungsweise mangelhaften Dateien kurze Zeit nach ihrer Meldung zustellte. Sie konnte aber nach der unerwarteten Prüfungspanne die Prüfung nicht einfach normal fortsetzen und musste wegen der Heftigkeit der Panikattacke ein Medikament mit stark sedierender Wirkung einnehmen. Ihr stand aufgrund der Online-Prüfung auch keine Ansprechperson vor Ort zur Verfügung, der sie ihren psychischen Zustand hätte schildern können. Ein besonderer Prüfungsdruck bestand auch deshalb, weil es sich für die Studentin um eine Wiederholungsprüfung ohne Repetitionsmöglichkeit handelte. Dem im Beschwerdeverfahren eingereichten Arztzeugnis liess sich entnehmen, dass die Studentin an einer Panikstörung litt, die in emotional angespannten, unerwarteten und angstbesetzten Stresssituationen heftige Panikattacken wie an der fraglichen Prüfung hervorrufen könne. Bestätigt wurde auch, dass die Nebenwirkungen des eingenommenen Notfallmedikaments eine normale Fortsetzung der Prüfung verunmöglichten.

Angesichts der konkreten Umstände und der glaubhaften Schilderung der Studentin erachtete es das Gericht als plausibel, dass die unerwartete Panne bei der Studentin mit ihrer Prädisposition als «Trigger» für eine Panikattacke wirkte und ihre Prüfungsfähigkeit massgeblich einschränkte. Der Studentin sei aufgrund ihrer psychischen Verfassung ein rationales Handeln und damit ein rechtzeitiger Prüfungsabbruch beziehungsweise eine rechtzeitige Meldung des eingetretenen Hinderungsgrundes nicht zumutbar gewesen. Ihre Prüfungsbeschwerde wurde folglich gutgeheissen und sie durfte die Prüfung wiederholen.

Klarzustellen ist, dass (blosser) Prüfungsstress und (blosse) Prüfungsängste nach der Rechtsprechung grundsätzlich zum Risikobereich einer zu prüfenden Person gehören und nicht als Grund für eine Prüfungsunfähigkeit anerkannt werden. Denn alle Prüfungskandidatinnen und -kandidaten sind solchen psychischen Belastungen mehr oder weniger ausgesetzt; sie sind Ausdruck der persönlichen Leistungsfähigkeit. Sie werden nur dann als Grund für eine Prüfungsunfähigkeit akzeptiert, wenn sie den Grad einer psychischen Erkrankung erreichen.

Stephan Hördegen, Leiter Abteilung Recht

Der Beitrag lehnt sich an das Urteil VB.2021.00360 vom 2. September 2021 des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich an (www.zh.ch > Gerichte & Notariate > Verwaltungsgericht > Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts).

Klasse/Stufe: Sekundarstufe ISekundarstufe II
Themen: Prüfungen und Abschlüsse
Erscheinungsjahr: 2023

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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