Datenbank zur Schulblatt-Kolumne

Rechtliches Gehör im Plagiatsfall

Im Zusammenhang mit einer Maturaarbeit eines Gymnasiasten war der Anspruch auf rechtliches Gehör umstritten.

Ein Gymnasiast wurde nach Ablieferung und Korrektur seiner Maturaarbeit zu einem persönlichen Gespräch mit dem Rektor zitiert. An diesem wurde ihm eröffnet, dass er nicht zu den Maturitätsprüfungen zugelassen werde, weil seine Maturitätsarbeit zu 24 Prozent aus einem Plagiat bestehe. Der Rektor stieg mit einer bereits unterschriebenen Verfügung in das Gespräch ein, die er dem Gymnasiasten aushändigte. Das Gespräch wurde nicht protokolliert. Der Gymnasiast rügte im Rekursverfahren, durch dieses Vorgehen sei sein Gehörsanspruch verletzt worden. Er habe so keine wirksame Möglichkeit gehabt, sich zum Plagiatsvorwurf zu äussern.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet unter anderem, dass die von einer Verfügung betroffene Person zu den wesentlichen Punkten Stellung nehmen kann, und zwar bevor der Entscheid gefällt wird. Aus dem Gehörsanspruch folgt zudem eine Begründungs- und Protokollierungspflicht der verfügenden Behörde. Besonders wenn es um disziplinarische Verstösse geht und eine für die betroffene Person einschneidende Disziplinarmassnahme in Aussicht genommen wird, sind die erwähnten Aspekte des Gehörsanspruchs zu beachten.

Zwar ist es zulässig, das rechtliche Gehör mündlich im Rahmen eines Gesprächs zu gewähren und bereits mit einem in Aussicht genommenen Entscheid in ein solches Gespräch einzusteigen. Die Anhörung darf aber nicht nur pro forma erfolgen, das heisst insbesondere, dass der Entscheid nicht schon vor dieser definitiv feststehen darf. Im vorliegenden Fall wurde der Gymnasiast sogleich mit dem Plagiatsvorwurf und der in Aussicht genommenen Sanktion konfrontiert. In der ausgehändigten Verfügung wurde das Vorliegen eines Plagiats mit genauer Prozentangabe bereits als erwiesen dargestellt und als gravierender Betrugsversuch qualifiziert. Eine Auseinandersetzung mit (möglichen) Argumenten des Schülers fehlte in der Verfügung gänzlich. Ob eine solche anlässlich der Anhörung stattgefunden hat oder der Entscheid bereits vor der Anhörung definitiv feststand, lässt sich mangels Protokollierung nicht rekonstruieren. Das gewählte Vorgehen war objektiv betrachtet somit in mehrfacher Hinsicht nicht mit dem Gehörsanspruch vereinbar.

In einem Rekursverfahren kann eine Gehörsverletzung von der Rekursinstanz zwar «geheilt» werden, indem das rechtliche Gehör «nachgeholt» wird. Deshalb wurde im betreffenden Rekursverfahren die Frage einer Gehörsverletzung letztlich offengelassen. Das rechtliche Gehör sollte aber auch ohne Rekursverfahren gewährt werden. Dass dies in einem solchen Fall möglich ist, zeigt der Umgang der Hochschulen mit Plagiats- oder sonstigen Betrugsverdachtsfällen. Danach erhält die betroffene Person im Rahmen einer Anhörung die Möglichkeit, sich zum vorgeworfenen Sachverhalt und zur Schuldfrage zu äussern. Bei mündlichen Anhörungen werden die Aussagen des oder der Studierenden in einem Protokoll festgehalten. Erst dann erfolgt der begründete Disziplinarentscheid in Verfügungsform (vgl. Disziplinarverordnung ETH Zürich).

Von Yasmin Wagner, Juristische Volontärin, und Stephan Hördegen, Leiter Abteilung Recht

Klasse/Stufe: Sekundarstufe II
Themen: Medien und Urheberrecht
Erscheinungsjahr: 2022

Weitere Informationen: www.edubs.ch

Basler Schulblatt

Leimenstrasse 1
4001 Basel
Tel.: +41 61 267 84 03
Mail: E-Mail
Website