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Rekurslegitimation in Schulsachen

Eine Schülerin wehrte sich, vertreten durch ihren sorgeberechtigten, aber nicht an der gleichen Adresse wohnenden Vater, gegen einen Schulausschluss. Ist das zulässig?

Eine zwölfjährige Schülerin, die eine sechste Primarklasse im Kanton Zürich besuchte, wurde von der zuständigen Schulbehörde für zehn Tage von der Schule ausgeschlossen, nachdem sie sich weigerte an einem Corona-Ausbruchstest teilzunehmen. Gegen den Ausschluss liess sie vertreten durch ihren sorgeberechtigten Vater Rekurs erheben. Die Rekursinstanz trat auf den Rekurs nicht ein mit der Begründung, der Vater wohne an einer anderen Adresse als seine Tochter und die ebenfalls sorgeberechtigte Mutter sei gemäss einer telefonisch beim Schulleiter eingeholten Auskunft im Vorfeld des Tests mit der angedrohten Massnahme einverstanden gewesen. Es sei auch keine Vollmacht der Mutter für die Rechtsmittelerhebung eingereicht worden.

Auf die Beschwerde des Vaters hin hob das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich den Rekursentscheid auf und wies die Angelegenheit zur inhaltlichen Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Es erwog, dass der sorgeberechtigte Vater der minderjährigen Schülerin – ungeachtet der Haltung der ebenfalls sorgeberechtigten Mutter – in eigenem Namen einen Rekurs in Schulsachen erheben könne. Sodann könne die Schülerin höchstpersönliche Rechte, wie das Recht auf Grundschulunterricht, im Rahmen ihrer Urteilsfähigkeit auch ohne gesetzliche Vertretung prozessual durchsetzen. An die Urteilsfähigkeit dürften bei den dem Schutz des Kindes dienenden Rechten keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.

In der Praxis wird die Zustimmung des (sorgeberechtigten) Elternteils, der nicht als Prozessbeteiligter auftritt, vermutet, wenn keine entgegenstehenden Hinweise vorliegen. Bereits aufgrund dieser Vermutung wird auf Rechtsmittel, die von einem Elternteil – im eigenen Namen oder im Namen des Kindes – erhoben werden, fast ausnahmslos eingetreten. In den unterschiedlichen Adressen der (bei der Mutter wohnenden) Schülerin und ihres Vaters kann noch kein Hinweis auf eine Uneinigkeit der Eltern gesehen werden. Der fehlende Wille zur Rechtsmittelerhebung gegen den Schulausschluss kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die Mutter sich in einem Gespräch mit dem Schulleiter der angedrohten Konsequenz bei einer Testverweigerung nicht widersetzt haben soll. Somit lagen im konkreten Fall gar keine Hinweise vor, die die Zustimmungsvermutung hätten umstossen können. So gesehen hat die Minderheit der Spruchkammer in ihrer abweichenden Meinung zu recht argumentiert, dass es keine besondere Legitimationsregelung für das Prozessieren in Schulsachen braucht, die von der zivilrechtlichen Regelung der Prozessführungsbefugnis abweicht.

Es fragt sich allerdings wie zu verfahren wäre, wenn sorgeberechtigte Eltern sich über eine für ihr Kind angeordnete sonderpädagogische Massnahme uneinig sind. Diesfalls muss ein Elternteil auch gegen den Willen des anderen eine aus seiner Sicht gegen das Wohl des Kindes verstossende und in sein elterliches Sorgerecht eingreifende Verfügung anfechten können, gerade wenn es um Massnahmen geht, die erheblich in den Tagesablauf des Kindes und der Eltern eingreifen (verstärkte Massnahmen). Dafür spricht auch, dass die nach der Urteilsfähigkeit zu beurteilende Prozessfähigkeit eines Kindes mit besonderem Bildungsbedarf nicht leichthin anzunehmen und die Errichtung einer Vertretungsbeistandschaft durch die Kindesschutzbehörde schon aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit nicht zweckmässig ist. Keine Rekurslegitimation in Schulsachen kommt allerdings stets dem nicht sorgeberechtigten Elternteil zu.

Stephan Hördegen, Leiter Abteilung Recht

Der Beitrag beruht auf dem Urteil VB.2021.00611 des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. November 2021.

Klasse/Stufe: PrimarstufeSekundarstufe ISekundarstufe II
Themen: ElternAbsenzen und Sanktionen
Erscheinungsjahr: 2022

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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