Datenbank zur Schulblatt-Kolumne
Religionsfreiheit und Schwimmunterricht
Zum Bildungsauftrag der öffentlichen Schule gehört die Integration aller Kinder und Jugendlichen in die Gesellschaft sowie die Vermittlung zwischen den Kulturen. Dabei können religiöse Überzeugungen von Kindern und deren Eltern mit dem staatlichen Bildungsauftrag kollidieren. Es geht zum Beispiel darum, dass Kinder aus religiösen Gründen in der Schule keine Weihnachtslieder singen oder nicht an obligatorischen Schullagern teilnehmen. Am meisten zu reden gegeben haben im Kanton Basel-Stadt Kinder muslimischen Glaubens, die am obligatorischen gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht nicht teilnehmen.
Gemäss Schulgesetz können Erziehungsberechtigte, die ihre Kinder wiederholt wissentlich von der Schule fernbleiben lassen, vom Departementsvorsteher mit bis zu 1'000 Franken gebüsst werden. Mehrere Elternpaare muslimischen Glaubens wurden im Juli 2010 vom Erziehungsdepartement gebüsst, weil sie ihre Töchter im Primarschulalter nicht am gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht teilnehmen liessen.
Ein Elternpaar wehrte sich gegen die verfügten Ordnungsbussen bis vor Bundesgericht. Die Eltern machten geltend, die Glaubens und Gewissensfreiheit gewähre ihnen ein Recht auf Dispensation ihrer beiden Töchter vom Schwimmunterricht. Sie seien deshalb nicht verpflichtet gewesen, ihre Töchter in diesen Unterricht zu schicken, und hätten demzufolge ihre Pflichten als Eltern nicht verletzt, weshalb ihnen keine Ordnungsbusse auferlegt werden dürfe.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde mit der Begründung ab, die schulischen Pflichten hätten grundsätzlich Vorrang vor der Beachtung religiöser Gebote einzelner Bevölkerungsteile (Urteil 2C_666/2011 vom 7. März 2012).
Das Obligatorium des Schulbesuches – einschliesslich der vom kantonalen Recht vorgesehenen Pflicht zur Teilnahme am Schwimmunterricht – diene der Wahrung der Chancengleichheit aller Kinder und darüber hinaus auch derjenigen zwischen den Geschlechtern. Es fördere zudem die Integration von Angehörigen anderer Länder, Kulturen und Religionen und sei somit von gewichtigem öffentlichem Interesse.
Die Anerkennung eines Rechts, muslimische Kinder generell vom gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht zu befreien, würde den Bestrebungen zur Integration dieser Bevölkerungsgruppe zuwiderlaufen. Der Grundrechtseingriff wurde vom Bundesgericht zudem auch als verhältnismässig beurteilt, da der Schwimmunterricht nur für Kinder vor der Geschlechtsreife gemischtgeschlechtlich stattfinde und durch flankierende Massnahmen (getrennte Umkleide und Duschräume, Verwendung von Ganzkörperanzügen) gemildert werde. Gemäss Medienberichten haben die Eltern das Urteil des schweizerischen Bundesgerichts beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg angefochten.
Nathalie Stadelmann, Juristische Mitarbeiterin Abteilung Recht