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Talk am Pool gestattet?

Schulische Besprechungen in der Freizeit sind problematisch

Die 17-jährige Schülerin X. besucht eine vierte Gymnasialklasse und hat soeben das Grobkonzept für die Maturaarbeit mit ihrem Betreuer, Lehrer Y., besprochen. Sie erwartet nun dessen Terminvorschlag für die Unterzeichnung der Projektvereinbarung. X. weiss von Lehrer Y., dass sie unbedingt eine gute Maturaarbeit schreiben muss, wenn sie die Matura bestehen will. Zwei Wochen später erhält X. von Lehrer Y. folgende Kurzmitteilung auf ihr Mobiltelefon: «Hallo X., wie geht es dir? Wenn du Lust und Zeit hast, mit mir am Samstagnachmittag im Schwimmbad baden zu gehen, könnten wir dort die Maturaarbeit unter vier Augen noch einmal besprechen und die Projektvereinbarung abschliessen. Ich hole dich an der Bushaltestelle ab? LG Y.»

X. zeigt die SMS am nächsten Schultag ihrem Lehrer Z., der sogleich die Schulleitung darüber informiert. Die Schulleitung fragt sich, wie das Verhalten von Y. zu beurteilen ist.

Lehrerinnen und Lehrern sind von Gesetzes wegen besondere Bildungs- und Erziehungsaufgaben übertragen. Daraus ergibt sich ein spezielles Abhängigkeitsverhältnis von Kindern und Jugendlichen zu ihren Lehrerinnen und Lehrern. Dieses darf in keiner Weise missbraucht werden. Von Lehrpersonen wird im Wesentlichen verlangt, dass sie sich gegenüber den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen einwandfrei, unparteiisch und vorbildlich verhalten. Sie haben sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren und sind innerhalb und ausserhalb des Unterrichts zu einem sittlich korrekten Verhalten verpflichtet.

In den Standesregeln des Dachverbandes Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) wird festgehalten, dass Lehrpersonen in ihrer Aufgabenerfüllung berechenbar sein müssen, grobe Fehler vermeiden und Übergriffe unterlassen müssen. Sexuelle Handlungen mit Schülerinnen und Schülern sind strafbar und daher strengstens verboten. Auch dann, wenn dazu von Seiten der Kinder oder Jugendlichen eine Bereitschaft oder gar der Wunsch vorhanden ist oder scheint. Dies gilt auch bei Schülerinnen und Schülern über dem gesetzlichen Schutzalter.

Nach den vorgesehenen Änderungen des Schulgesetzes kann der Departementsvorsteher eine Lehrperson vom Schuldienst ausschliessen, wenn sie ihre Berufspflichten schwer verletzt oder wenn ihre Vertrauenswürdigkeit in anderer Weise, insbesondere wegen Verurteilung zu einer Freiheits- oder Geldstrafe, schwer beeinträchtigt erscheint. Er meldet den Ausschluss vom Schuldienst der Erziehungsdirektorenkonferenz zur Aufnahme in die «schwarze Liste» über Lehrpersonen ohne Unterrichtsberechtigung.

Im vorliegenden Fall ist weder eine schwere Verletzung der Berufspflichten gegeben, noch liegt eine schwere Verletzung der Vertrauenswürdigkeit vor. Lehrer Y. kann wohl kaum ein strafbares Verhalten angelastet werden. Insofern liessen sich der Ausschluss vom Schuldienst und der Entzug der Unterrichtsberechtigung in seinem Fall nicht rechtfertigen. Den noch hat sich Lehrer Y. den Vorwurf gefallen zu lassen, unter dem Aspekt der Berufsethik die Grenze des Tolerierbaren überschritten zu haben. Er hat mit seinem Verhalten – objektiv betrachtet – seine besondere Funktion gegenüber X. im Rahmen der Betreuung deren Maturaarbeit und das daraus resultierende Macht beziehungsweise Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt. Die von Y. in Form einer SMS übermittelte «Badeeinladung» lässt die nötige Distanz zwischen Berufs und Privatleben vermissen, was gerade für einen Lehrer absolut unangemessen erscheint. Das Verhalten von Y. muss daher sanktioniert werden. In Betracht kommen personalrechtliche Massnahmen von einem Verweis bis hin zur Kündigung des Anstellungsverhältnisses.

Das Bundesgericht misst dem Persönlichkeitsschutz von Kindern und Jugendlichen, die sich in einem speziellen Abhängigkeitsverhältnis befinden, grosses Gewicht bei. So hat es in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden, dass der Vorschlag eines Berufsbildners gegenüber einer potenziellen Auszubildenden, gemeinsam am See baden zu gehen und dort das Vorstellungsgespräch fortzuführen, derart unangebracht erscheine, dass sich ein teilweiser Widerruf der Bildungsbewilligung, im konkreten Fall in Bezug auf weibliche Lernende, rechtfertige. Ob dies für Schulen ebenfalls praktikabel wäre, sei dahin gestellt.

Philipp Schenker, Juristischer Mitarbeiter Abteilung Recht

Urteil des Bundesgerichts 2C_ 378/2010 vom 10. Mai 2011, abrufbar unter www.bger.ch

Klasse/Stufe: Sekundarstufe ISekundarstufe II
Themen: Aufsicht und HaftungKindesschutzMelde- und AnzeigepflichtSchulpersonalrecht
Erscheinungsjahr: 2013

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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