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Tatwaffe Smartphone

Bei Mobbing in der Schule ist rasches und konsequentes Handeln angesagt

Als Lehrer Z. die Tür zum Klassenzimmer öffnen will, eilt ihm Schüler X. entgegen und berichtet, ein Mitschüler habe ihm plötzlich die Ohren langgezogen, während ein anderer ihm dann mitten in den Bauch getreten habe. Am schlimmsten sei aber, dass Schüler Y. alles mit seinem Mobiltelefon gefilmt und an Klassenkameraden weitergeleitet habe. Diese machten sich nun über ihn lustig. Lehrer Z. stellt den Schüler Y. sogleich auf dem Gang zur Rede, nimmt ihm das Mobiltelefon ab und übergibt dieses unter Schilderung des Vorgefallenen der Schulleitung. Für den Missbrauch moderner Kommunikationsmittel zum Zweck der Blossstellung, Ausgrenzung, Beschimpfung oder dergleichen haben sich Begriffe wie «Cybermobbing», «Cyberbullying» oder «Happy Slapping» etabliert. Als Happy Slapping werden gewalttätige Übergriffe bezeichnet, die wie im vorliegenden Fall mit dem Mobiltelefon gefilmt und anschliessend zum Prahlen oder zur Erniedrigung der Opfer weiterverbreitet werden. Solche Erlebnisse können für die Opfer einschneidend sein und bei ihnen Verhaltensprobleme, körperliche Beschwerden, Konzentrationsschwierigkeiten, Angst- und Depressionszustände hervorrufen. Ein rasches, konsequentes und koordiniertes Handeln von Lehrpersonen und Schulleitung ist daher geboten. Mit Happy Slapping sind strafbare Handlungen verbunden wie Tätlichkeiten, einfache Köperverletzungen, Ehrverletzungen oder Verletzung des Privatbereichs durch Aufnahmegeräte. Deshalb sind angemessene erzieherische und disziplinarische Massnahmen gegen die fehlbaren Schüler angezeigt. Im Sinne einer Ad-hoc-Massnahme muss es auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage zulässig sein, jenem Schüler, der den Film erstellt und weiterverbreitet hat, das Mobiltelefon zeitweise wegzunehmen, wie Lehrer Z. dies getan hat. Es geht hier letztlich auch um die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemässen Schulbetriebs. Das Mobiltelefon sollte allerdings grundsätzlich noch am gleichen Tag, spätestens am Ende der Unterrichtszeit, zurückgegeben werden.

Ein Einzug über die Schulzeit hinaus kommt nur in schweren Fällen in Frage, in denen die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten sind und das Mobiltelefon dann diesen zu übergeben ist. Zu beachten ist ferner, dass die Mobiltelefone aus Datenschutzgründen nicht von Lehrpersonen und Schulleitung durchsucht werden dürfen. Um Klarheit zu schaffen, wird empfohlen, mindestens in der Hausordnung das Verfahren und die Dauer der Wegnahme von Mobiltelefonen zu regeln. Als weitere Disziplinarmassnahme kommt die Verwarnung oder die Androhung eines temporären Schulausschlusses im Wiederholungsfall in Betracht.

Auf jeden Fall sollte die Schulleitung das Gespräch mit den fehlbaren Schülerinnen und Schülern suchen und den Vorfall unter Einbezug der Erziehungsberechtigten klären. Ziel dieses Gesprächs ist nicht eine Beweisaufnahme. Vielmehr soll den Schülerinnen und Schülern gezeigt werden, welch schwerwiegende Folgen ihr Verhalten für die betroffene Person und welche weiteren Konsequenzen es für sie selber haben kann. Dabei ist ihnen vor Augen zu führen, dass mit Happy Slapping die Grenze vom Streich zu strafbarem Verhalten überschritten wird und die Schulleitung im Wiederholungsfall eine Strafanzeige prüfen wird.

Da es sich bei den fraglichen Straftatbeständen meist nicht um Offizialdelikte handelt, besteht keine Anzeigepflicht der Schulbehörden, wohl aber ein Anzeigerecht. Nach Möglichkeit ist auch das Opfer mit seinen Eltern zum Gespräch einzuladen. Damit eröffnet sich die Gelegenheit zur Wiedergutmachung durch eine Entschuldigung. Denkbar sind weitere Massnahmen, etwa die Verankerung eines generellen Benutzungsverbots für Mobiltelefone während des Schulbetriebs in der Hausordnung, wie es bereits viele Schulen kennen.

Katja Wagner, Juristische Volontärin und Philipp Schenker, Juristischer Mitarbeiter Abteilung Recht

Klasse/Stufe: PrimarstufeSekundarstufe ISekundarstufe II
Themen: Absenzen und SanktionenMelde- und AnzeigepflichtMedien und UrheberrechtKindesschutz
Erscheinungsjahr: 2014

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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