Datenbank zur Schulblatt-Kolumne
Unerlaubtes Mitschneiden eines Standortgesprächs
Nach dem ersten Standortgespräch teilt der Vater eines Schülers der Lehrperson mit, dass er das Gespräch mit dem Mobiltelefon aufgezeichnet habe und sie bei ihren Aussagen über die Leistungen und die Kompetenzen seines Sohnes behaften werde. Die etwas perplexe Lehrperson fragt sich, ob sie sich das gefallen lassen muss.
Das Schweizerische Strafgesetzbuch schützt zwar die Vertraulichkeit des Wortes anlässlich nichtöffentlicher Gespräche und verbietet unter anderem unbefugte Aufnahmen durch Gesprächsteilnehmer. Nach einer umstrittenen Gerichtspraxis sind aber nur Gespräche geschützt, die die Privatsphäre tangieren, nicht aber solche amtlicher Natur. Standortgespräche, die aus einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung geführt werden, sind demnach strafrechtlich nicht geschützt. Durch die Verwendung der Gesprächsaufnahmen können allerdings andere Straftatbestände relevant werden, etwa jener der Nötigung (beispielsweise Drohung, die Gesprächsaufzeichnung bei schlechter Leistungsbeurteilung der Schulleitung und den Eltern von Mitschülerinnen und -schülern zuzustellen). Anders zu beurteilen ist die Sache aus Sicht des Daten- und Persönlichkeitsschutzes. Er unterscheidet nicht zwischen privat und dienstlich betroffenen Personen. Das Aufnehmen von Gesprächen, an denen Behördenmitglieder beteiligt sind, ist ohne deren Einwilligung genau so unzulässig, sofern nicht überwiegende private Interessen dies rechtfertigen. Solche Interessen sind bei gesetzlich vorgesehenen Gesprächen wie den Standortgesprächen nicht anzunehmen und insbesondere nicht in blosser Unzufriedenheit mit der Tätigkeit von Lehrpersonen, deren Kritik an schülerischen Leistungen oder Meinungsverschiedenheiten über Leistungsbeurteilungen zu sehen. Zudem stehen solchen möglichen Interessen jene der Schulen und Lehrpersonen an der unbeeinträchtigten Erfüllung ihres Bildungsauftrags entgegen, was im Falle einer unfreiwilligen Gesprächsaufzeichnung nicht mehr gewährleistet ist. Soweit Eltern ein Standortgespräch also gleichwohl aufzeichnen, kann die betroffene Lehrperson, die davon erfährt, die Vernichtung der Gesprächsaufnahme verlangen.
Gegen unfreiwillige Gesprächsaufnahmen vorsorgen können Schulen schliesslich, indem sie diese in ihren Hausordnungen und in ihrem Konzept für die Kooperation mit den Erziehungsberechtigten ausdrücklich verbieten und die Eltern vor einem Gespräch darauf hinweisen. Rechtfertigen lässt sich ein solches Verbot in erster Linie mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Eltern als Basis für eine gedeihliche Kooperation, die den Bildungs- und Erziehungserfolg von Schülerinnen und Schülern unterstützen soll.
Philipp Schenker, Juristischer Mitarbeiter Abteilung Recht