Datenbank zur Schulblatt-Kolumne
Wann Kindergärtnerin – wann Privatperson?
Die Eltern der Kindergartenschülerin X. wenden sich an die Kindergärtnerin ihrer Tochter und fragen diese, ob sie bereit wäre, X. nach Unterrichtsschluss vom Kindergarten in die Kinderkrippe zu begleiten. Die Kindergärtnerin bietet den Eltern an, X. mit ihrem Veloanhänger in die Krippe zu fahren. Die Kindergärtnerin erkundigt sich bei der Schulleitung, ob dem etwas entgegenstünde.
Die Verantwortung der Lehrpersonen für die ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler erstreckt sich auf den gesamten Schulbetrieb. Dazu gehören neben der eigentlichen Unterrichtszeit auch der Weg zwischen verschiedenen schulischen Veranstaltungsorten (z. B. der Weg vom Schulhaus zur Turnhalle) sowie die auswärtigen Schulanlässe. Für den Schulweg sind hingegen die Eltern verantwortlich. Dies gilt auch für den Weg vom Schul- oder Kindergartenstandort zu einer Kinderkrippe, da es sich bei der familienexternen Tagesbetreuung nicht um ein zum Schulbetrieb gehörendes Betreuungsangebot handelt. Den Eltern steht es selbstverständlich frei, ihre Verantwortung auf eine Drittperson – wie im vorliegenden Fall die Kindergärtnerin ihrer Tochter – zu übertragen.
Wenn die Kindergärtnerin eine Schülerin nach Unterrichtsschluss in die Krippe fährt, tut sie das nicht mehr im Rahmen ihres Berufsauftrags. Insoweit ist sie auch nicht in ihrer Funktion als Kindergärtnerin tätig, sondern als Privatperson. Aus rechtlicher Sicht stellen sich deshalb Fragen der Haftung für den Fall, dass auf dem Weg etwas passieren sollte. Die Kindergärtnerin und die Schulleitung müssen sich bewusst sein, dass das Prinzip der Staatshaftung – wonach Staatsangestellte für Schäden, die sie während der Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit verursachen, grundsätzlich nicht persönlich einzustehen haben – hier nicht zum Tragen kommt. Wenn die Kindergärtnerin beispielsweise während des Transports einen Unfall verursacht und das Kind dabei verletzt wird, so hat sie, falls die zivilrechtlichen Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind, persönlich für den verursachten Schaden aufzukommen. Sie muss deshalb privathaftpflichtversichert sein, wenn sie einen solchen Transportdienst anbieten möchte.
Gleich verhält es sich, wenn eine Lehrperson in ihrer Freizeit Ausflüge mit Schülerinnen und Schülern unternimmt. Dies tut sie ebenso wenig in Erfüllung ihres Berufsauftrags, sondern ebenfalls als Privatperson.
Der Entscheid, ob oder inwieweit sich eine Lehrperson im Einzelfall über ihren Berufsauftrag hinaus im oben umschriebenen Sinne als Privatperson für eigene Schülerinnen oder Schüler engagieren soll bzw. darf, liegt bei der Schulleitung. Neben der Haftungsfrage wirft ein solches Engagement Fragen einer allfälligen bevorzugten Behandlung auch während des Schulbetriebs auf. Aus rechtlicher Sicht lassen sich aus einer besonderen persönlichen Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler unter Umständen Befangenheitsgründe ableiten. Ein blosser Begleitdienst in die Kinderkrippe reicht dafür aber nicht aus.
Nathalie Stadelmann, Juristische Mitarbeiterin Abteilung Recht