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Was draufsteht, muss auch drin sein
Was draufsteht, muss auch drin sein. Das gilt nicht nur für die Kennzeichnung von Lebensmitteln, sondern auch für Bildungsabschlüsse. Wie ist danach das Dilemma aufzulösen, dass eine schwangere Gymnasiastin im Prüfungszeitraum vom Ergänzungsfach Sport dispensiert werden muss, aber nicht die notwendigen Teilnoten hat, um im Maturzeugnis eine valide Abschlussnote setzen zu können? Die zuständige Prüfungsleitung entschied, dass die Schülerin drei Teilprüfungen, die wesentliche Prüfungsinhalte abdecken, nachzuholen habe und erst dann das Maturazeugnis ausgehändigt bekomme (sogenannte Fraktionierung der Maturitätsprüfungen). Damit war die Schülerin nicht einverstanden und verlangte, ihr sei für die fraglichen drei Teilprüfungen entsprechend der Regelung für unbegründet versäumte Wiederholungsprüfungen jeweils die Note 1 zu setzen (sogenanntes fiktives Nichtbestehen). So würde sie im Ergänzungsfach Sport immer noch die Gesamtnote 3 erhalten und das reiche ihr für das Bestehen der Maturitätsprüfungen. Es könne nicht sein, dass sie aufgrund der ärztlichen Dispens vom Sportunterricht schlechter gestellt werde, als wenn sie die Wiederholungsprüfungen unbegründet versäumt hätte.
Mit ihrer Argumentation setzte die Schülerin allerdings auf das falsche Pferd. Die Regelung des fiktiven Nichtbestehens war in ihrem Fall a priori nicht anwendbar, weil sie nur für unbegründet versäumte Wiederholungsprüfungen gilt. Darum ging es im konkreten Fall aber offensichtlich nicht. Auch eine analoge Anwendung fiel deshalb ausser Betracht. Auf die Idee, sich bei den fehlenden Prüfungen auf die Regelung des fiktiven Nichtbestehens zu berufen, kam die Schülerin ausserdem erst nach Bekanntgabe aller Prüfungsresultate. Erst dann konnte sie nämlich wissen, dass es ihr aufgrund des sonstigen Notenbildes auch mit einer Note 3 im Ergänzungsfach Sport reichen würde. Ein solches Vorgehen verstösst gegen Treu und Glauben und verdient keinen Rechtsschutz.
Ein gültiges Prüfungsresultat bildet die grundsätzliche Voraussetzung für die Erteilung eines entsprechenden Ausweises oder Diploms. Ein Prüfungsresultat ist nur dann gültig, wenn dadurch der Aussagewert der Abschlussnote nicht verfälscht wird. Oder anders formuliert: Im Maturazeugnis hat bei einer darin ausgewiesenen Abschlussnote drin zu sein, was draufsteht – und das wäre bei einer Abschlussnote, die auf drei fiktiven Teilnoten beruht, nicht mehr der Fall. In so einem Fall würde auch in ungerechtfertigter Weise von allgemeinen Leistungsanforderungen abgewichen, was sich mit dem Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge nicht vereinbaren liesse.
Anzumerken ist, dass die Regelung des fiktiven Nichtbestehens letztlich selber den oben erwähnten Grundsatz durchbricht, indem die Note 1 nicht für eine sehr schwache Leistung, sondern für eine nicht erbrachte Leistung gesetzt wird. Dieser zumindest latente Widerspruch muss angesichts der pädagogischen Zielsetzung der Regelung und auch aus Praktikabilitätsgründen in Kauf genommen werden.
Stephan Hördegen, Leiter Abteilung Recht