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Wenn die Bezeichnung eines Schülers zum Rechtsfall wird

Klassenlehrer nennt Verhalten eines Schülers «arrogant». Ist das eine Persönlichkeits- und Ehrverletzung?

Ein Sekundarschüler störte wiederholt den Unterricht, indem er sich aufmüpfig verhielt, immer wieder dazwischenfunkte und damit die Lehrperson aus dem Konzept zu bringen versuchte. Anlässlich eines Gesprächs mit den Eltern und dem Schüler thematisierte der Klassenlehrer das störende Verhalten und sagte, der Schüler habe wiederholt auf «arrogante Art» den Unterricht arg gestört. Der betroffene Schüler und die Eltern sahen in dieser Äusserung eine Persönlichkeits- und Ehrverletzung. Sie drohten mit einer Zivilklage wegen Persönlichkeitsverletzung und einer Strafanzeige wegen Ehrverletzung.

Der zivilrechtliche Persönlichkeitsschutz schützt den guten Ruf beziehungsweise die Ehre einer Person. Darunter fällt auch das gesellschaftliche und berufliche Ansehen einer Person (soziale Geltung). Ob eine Äusserung die soziale Geltung einer Person herabmindert, ist objektiviert nach Massgabe einer «Durchschnittshörerin» oder eines «Durchschnittshörers» unter Würdigung der konkreten Umstände zu beurteilen. Es hängt letztlich vom genauen Kontext ab, in dem eine Äusserung erfolgt. Bezieht sich die Wertung «arrogant» nicht auf den Schüler selbst, sondern auf seine Art, wie er den Unterricht stört, ist sie jedenfalls als vertretbar und nicht unnötig herabsetzend zu beurteilen. Eine solche Aussage muss sich ein Schüler gefallen lassen, insbesondere dann, wenn es um eine Aussprache über sein den Unterricht störendes Betragen geht. Darin ist keine Persönlichkeitsverletzung zu sehen.

Das Gesagte gilt beispielsweise auch, wenn ein Lehrer den Begriff «faul» verwendet. Wird ein Schüler während der Mathematikprüfung beim Abschreiben erwischt und vom Lehrer gefragt, «Bist du zu faul, um selber zu rechnen?», bezieht sich «faul» auf das Verhalten des Schülers während dieser Prüfung. Das ist wiederum nicht persönlichkeitsverletzend. Anders zu beurteilen wäre es, wenn der Lehrer den Schüler pauschal als «faul» bezeichnen würde, sich das «faul» gegen die Person richten und diese in ihrer sozialen Geltung unnötig herabsetzen würde.

Hätten im eingangs geschilderten Fall der Schüler und die Eltern tatsächlich Zivilklage wegen Persönlichkeitsverletzung eingereicht, so hätte der Klassenlehrer also nichts zu befürchten gehabt. Da die Ehre nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich geschützt ist, hätten die Eltern gegen den Klassenlehrer theoretisch auch Strafanzeige wegen Ehrverletzung erstatten können. Da der strafrechtliche Ehrenschutz die Ehre weniger weit schützt als der zivilrechtliche Persönlichkeitsschutz, wäre der Weg über das Strafrecht allerdings noch weniger aussichtsreich gewesen. Oft wird ohnehin Aussage gegen Aussage stehen: Lässt sich der genaue Kontext der Begriffsverwendung nicht eruieren, wird ein Gericht regelmässig zu Gunsten des Beschuldigten von einer Wortwahl, die im Unterrichtskontext vertretbar war, ausgehen.

Von Nathalie Stadelmann, Juristische Mitarbeiterin Abteilung Recht, und Stephan Hördegen, Leiter Abteilung Recht

Der vorliegende Beitrag lehnt sich an das Urteil des Bundesgerichts 5A_349/2009 vom 23. Juni 2009 an (www.bger.ch).

Klasse/Stufe: Sekundarstufe ISekundarstufe IIPrimarstufe
Themen: ElternSchulpersonalrecht
Erscheinungsjahr: 2022

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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