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Wie muss eine Leistungsbeurteilung begründet werden?

Eltern haben Anrecht auf rechtliches Gehör und Einsicht in die wesentlichen Akten

X. besucht eine 3. Klasse der Orientierungsschule (OS) in Basel. Am Beurteilungsgespräch zeigt die Klassenlehrerin seinen Eltern anhand des Lernberichts sowie der Prüfungsarbeiten und Schulhefte, dass er insgesamt 15,5 Punkte erreicht hat und deshalb dem E-Zug der Weiterbildungsschule (WBS) zugeteilt wird. Die Eltern von X. erklären sich damit nicht einverstanden und verlangen drei Tage danach vom Geographie- und Naturkundelehrer Y. eine schriftliche Begründung seiner Leistungsbeurteilung. Die Schulleiterin erkundigt sich darauf, ob der betroffene Lehrer diesem Begehren entsprechen müsse oder ob das Angebot eines mündlichen Gesprächs genüge.

Rechtlicher Anknüpfungspunkt für diese Fragestellung ist der in der Bundes- und Kantonsverfassung verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet jeder Schülerin und jedem Schüler in einem Promotionsverfahren das Recht, dass ihr beziehungsweise sein Promotionsentscheid hinreichend begründet wird. Damit verbunden ist auch das Recht, alle für den Promotionsentscheid wesentlichen Akten, insbesondere die eigenen Leistungsnachweise, einsehen zu können.

Die betroffene Schülerin oder der betroffene Schüler soll in die Lage versetzt werden, die Tragweite einer Entscheidung zu beurteilen und diese in voller Kenntnis der Umstände anzufechten.

Der für den Zuteilungsentscheid massgebende Lernbericht der 3. Klasse der OS enthält sowohl eine Beurteilung der in allen Pflichtfächern erbrachten Leistungen mit Punkten sowie eine Beurteilung des Lern-, Arbeits- und Sozialverhaltens mit Prädikaten und Worten. Die Leistungsbeurteilung orientiert sich dabei an einer gewichteten pädagogischen Gesamtbetrachtung und leitet sich nicht rechnerisch aus den lernzielorientierten Bewertungen der einzelnen Fächer ab. Die Lernbeurteilungsverordnung OS sieht ausserdem vor, dass der Lernbericht mit den Inhaberinnen und Inhabern der elterlichen Sorge sowie den Schülerinnen und Schülern besprochen wird. Der Lernbericht gilt erst im Zeitpunkt, in dem das Beurteilungsgespräch stattgefunden hat, als eröffnet und kann innert zehn Tagen ab diesem Zeitpunkt mit Rekurs beim Vorsteher des Erziehungsdepartements angefochten werden.

Aus der im Lernbericht dokumentierten Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz von X. mit Punkten bzw. mit Prädikaten und Worten in Verbindung mit den mündlichen Erläuterungen der Klassenlehrerin am Beurteilungsgespräch ergibt sich somit eine hinreichende Begründung des Zuteilungsentscheids. Auf eine weitergehende Begründung der Leistungsbeurteilung, insbesondere eine schriftliche Begründung der Leistungsbewertung in einem speziellen Fach, besteht im Promotionsverfahren kein Anspruch. Anders verhält es sich im Rekursverfahren, in dem die Schulleitung beziehungsweise die betreffende Fachlehrperson gegebenenfalls eine umstrittene Leistungsbeurteilung schriftlich begründen muss.

Im vorliegenden Beispielfall waren die Klassenlehrerin und der betroffene Geografie- und Naturkundelehrer demnach rechtlich nicht verpflichtet, den Eltern von X. eine ergänzende schriftliche Begründung der Leistungsbeurteilung nach der Eröffnung des Zuteilungsentscheids zu liefern. Dass die Eltern von X. dennoch nicht von vornherein auf den Rekursweg verwiesen wurden, sondern ihnen über das rechtlich Gebotene hinaus ein klärendes Gespräch mit dem Geografie- und Naturkundelehrer angeboten wurde, ist eine pragmatische Lösung, die später viel Zeit und Ärger ersparen kann.

Philipp Schenker, Juristischer Mitarbeiter Abteilung Recht

Klasse/Stufe: Sekundarstufe I
Themen: ElternKindesschutzPrüfungen und Abschlüsse
Erscheinungsjahr: 2013

Weitere Informationen: www.edubs.ch

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